Basis FAQ

Kitsune

Kitsune sind Werfüchse in der japanischen Tradition. Eine Mini-FAQ speziell zum Thema Kitsune befindet sich noch im Aufbau. Hier gesammelt sind einige Informationen über japanische Wertiere im Allgemeinen.

o'wolf schreibt:

Leider ist die Mini-FAQ zu Kitsune nie erstellt worden. Einige wenige Informationen finden sich hier dennoch, der Großteil beschäftigt sich aber mit japanischen Werwolf-Geschichten.

Leute, die sich plötzlich vollfressen, anfangen Kauderwelsch zu reden und sich sorgen, ihr Gesicht würde länger werden, sind möglicherweise von einem Fuchsgeist besessen. Zumindest laut eines weit verbreiteten japanischen Glaubens.

Geschichten über diese Fuchsgeister sind in ganz Japan populär und auch heute noch gibt es Berichte über Leute, die von ihnen besessen oder gesteuert sein sollen. Familien in einigen ländlichen Gegenden sollen angeblich Füchse halten, um mit ihnen Zauberei gegen schlechter ausgerüstete Mitglieder der Gemeinschaft zu praktizieren.

Im Jahre 1963 beschrieb der Priester eines Tempels nahe Tottori woran man Familien erkennen könne, die Füchse hielten. "Es ist einfach", sprach er, "die Füchse sitzen in einer Reihe auf dem Dach, die Augen mit den Pfoten zuhaltend. Oder sie spielen vor dem Haus."

Wer das Anwesen eines Fuchs-Besitzers kauft, erbt damit das Stigma an solchem furchtsamen Verhalten beteiligt zu sein, was es erschwert Käufer zu finden, selbst wenn die Preise bereits ins Bodenlose gefallen sind.

Die Austreibung der Besessenheit erfolgt mit drastischen Mitteln. Vor nicht langer Zeit wurde eine Frau behandelt, indem man ihr alles Essen vorenthielt, Pfeffer in Augen, Nase und Mund streute, sie mit glühend heißen Stielen abrieb und ihr Löcher in Brust und Bauch bohrte. Ob die Austreibung erfolgreich war ist nicht überliefert, da die Patientin nach drei Tagen an den Folgen starb.

Quelle: Fox and badger and other witch animals of Japan von U.A. Casal

Der Wolf als Gottheit

Während der normale Hunde-Geist eher selten eine Gefahr für Menschen aber fast immer für böse Geister ist, ist sein Vetter, der Wolfs-Geist ein äußerst gefährliches Wesen. Er tötet grausam und raubgierig Menschen und Tiere. Allerdings spielt er nur eine untergeordnete Rolle in China, und fast keine in Japan, obwohl Wölfe im Altertum recht häufig waren (wobei Satow und Hawes im Handbook of Japan jedoch anmerken, dass es in Japan keine echten Wölfe gegeben habe und Canis hodophylax (Japanischer Wolf) eher eine unscheinbare Entsprechung sei). Sein Name Okami soll ursprünglich "die große Gottheit" (vermutlich des Bergwalds) bedeutet haben und ist möglicherweise über die prähistorisch Ainu-Kultur mit den nördlichen Inseln oder sogar der sibirischen Küste in Verbindung zu bringen. Es ist aber auch möglich, dass der Okami ursprünglich keine "große Gottheit", sondern einfach ein "großer Fresser" bzw. "großer Beißer" war: kamu/kami kann beides heißen. In der Man'yōshū wird der Wolf einmal als "die große Gottheit mit dem großen Mund" genannt. Das Volk hatte Angst vor wilden Tieren, alles Seltsame und Mächtige wurde göttlich, so wurden Wolf, Tiger, Bär und auch große Schlangen schnell Ehrfurcht einflößende Gottheiten. Der Japanische Wolf ist übrigens in Wirklichkeit ein scheues (und daher völlig harmloses) Tier mit großem Nahrungsbedarf.

Chaki Chan schreibt:

Allgemein wurde im mittelalterlichen Japan der Shintoismus gepflegt. Gilt auch heute noch so, auch wenn sich viele als Christen taufen ließen. Der Shintoismus ist auch keine Religion wie die unsere sondern einfach "ein Glaube". Es gibt weder Schriften, noch Propheten, oder gar einen "Gott" in unserem Sinne. Tatsächlich wurden beim Shintoismus Naturphänomäne verehrt. Ein alter Baum, ein großer Fluss. All das war von einem Geist beseelt, der weder gut noch böse war. (ich kann hierzu zwei Animes empfehlen: "Chihiros Reise ins Zauberland" und "Prinzessin Mononoke")

Wundersam ist ein Geschehen von dem im Nihongi zur Zeit der der Herrschaft des Tennô Kimmei (540-571) berichtet wird. Lange bevor er den Thron bestieg, wurde Kimmei im Traum geraten, einen Mann namens Hada-no-Ohotsuchi zu suchen und zu begünstigen, denn dies würde ihm den Thron und Glück bringen. Ein solcher Mann wurde nach langer Suche tatsächlich gefunden, und als den zukünftige Herrscher die Nachricht erreichte, war er völlig von Freude erfüllt. "Ein einmaliger Traum!", rief er aus. Dann fragte er den Mann, ob er etwas außergewöhnliches erlebt hätte. Der antwortete: "Nichts. Lediglich traf dieser Diener auf seinem Weg zurück von Ise, wo er hin ging Handel zu treiben, an einem Berg auf zwei Wölfe die mit einander kämpften und besudelt von Blut waren. Dieser Diener stieg vom Pferde, spülte seinen Mund und wusch seine Hände (Mund spülen und Hände waschen ist eine wichtige Reinigungszeremonie, bevor ein Gläubiger sich dem Schrein einer Shinto-Gottheit nähert), sprach ein Gebet zu ihnen: 'Ihr seid erhabene Gottheiten, und doch findet Ihr Vergnügen an der Gewalt. Solltet ihr auf einen Jäger treffen, könntet er euch schnell erlegen.' Also hielt dieser Diener sie zurück und reinigte ihr blutbeflecktes Haar, und schließlich ließ er sie gehen, so ihr Leben rettend." Der Herrscher war darauf überzeugt, dass der Mann ihm im Traum als Belohnung für seine Tat empfohlen wurde, und behandelte ihn mit besonderer Gunst. Und als der Herrscher den Thron bestieg, ernannte er ihn zum Schatzmeister.

Es ist nicht leicht, für uns Schlüsse aus dieser Geschichte zu ziehen, vielleicht dass die Wölfe mächtige aber sehr kämpferische Gottheiten waren.

Chaki Chan schreibt:

Wolfsgeister/-götter waren oft Schützer des Waldes und der Ebenen, wenn meine Informationen stimmen. Und in vielen Geschichten werden Geister/Götter als normale Tiere beschrieben, die genauso materiell sind wie Menschen, nur etwas größer als normal und des Sprechens mächtig.

Der Wolf als Beschützer

Später ist wohl auch der Glaube aufgetaucht, dass wenn jemand in den Bergen einem Okami begegnet und ihn freundlich behandelte, dieser die Freundlichkeit erwiderte und den Mensch von da an gegen andere Gefahren schützte. Dies könnte mit dem in einigen Regionen Japans geläufige Glaube zu tun haben, der Okami sei ein Bote der Götter, insbesondere der von Yama-no-kami, der Gottheit der Berge. Diese steigt während der Bestellung der Felder von ihrem Wohnsitz in den Bergen, um als Ta-no-kami, der Feldgottheit, aufzutreten. (Obwohl meistens als weiblich betrachtet kann zeitweise auch männlich sein. Wie üblich bei Kami variiert das Geschlecht.) Möglicherweise verbunden mit der Rolle als Bote von Yma-no-kami bzw. Ta-no-kami wurde Wolf als eine Art Beschützer der Ernte vor bösen Geistern gesehen. (Zum Vergleich, in Zentral-Java bewacht ein Wertiger die Plantagen nachts gegen zerstörerische Wildschweine, im Yucatan nahmen die Balam (Magier) die Form eines Tieres an, um die Maisfelder zu beschützen.)

Zweifelsohne steckt beim Wolf Ta-no-kamis und dem Fuchs Inari-sans die selbe Idee dahinter, wenn auch in unterschiedlichen Regionen. In seiner Rolle als Götterbote wacht der Wolf über Berge und Wälder. Er sorgt dafür, dass nicht übermäßig viele Bäume gefällt werden oder aus Leichtsinn Feuer gelegt wird, das zum Großbrand werden könnte, sowie dass die zahllosen kleinen heiligen Stätten, die man überall am Berg finden kann, nicht beschmutzt werden. Wenn etwas nicht in Ordnung ist, sucht er Yama-no-kami auf, um ihr zu berichten, damit sie die Schurken bestraft. Wenn eine Gruppe Wölfe den Berg absteigt ist es ein böses Omen, die Ahnung, dass Schwierigkeiten vor der Tür stehen.

Chaki Chan schreibt:

Seltsam das sich im "zivilisierten" Europa so ein Glaube nie angesiedelt hat, nachdem man das "Heidentum" vernichtet hatte...

Der Wolf als böser Geist

Es mag einen allgemeineren alten Glauben gegeben haben, dass ähnlich des Katzengeists der Wolf die Gestalt einer Person annehmen kann, die er zuvor verschlungen hat und fortan aus verwerflichen Motiven mit dessen Familie leben würde. Allerdings habe ich nur eine solche Sage finden können, die heute noch im bergigen Distrikt zwischen Iyo und Tosa in Shikoku existiert. In ihr wird ein Samurai von einem Trupp Wölfen angegriffen, als er nachts einen Bergpass entlang läuft. Aber seine furchtlose Verteidigung verscheucht die Wölfe. Kurz drauf kam der selbe Trupp zurück, diesmal trug jedes Tier auf seinem Kopf wie einen Helm einen eisernen Helm wie er zum Kochen des Reis verwendet wird. Der Samurai verteidigte sich wieder tapfer, mit seinem Schwert die meisten Töpfe zerschlagend. Darauf flüchteten die Wölfe wieder im Nebel. Dieser zweite Zwischenfall machte den Krieger misstrauisch, und er vermutete dass die Wolfsgeister die Töpfe von einem nahen Schmied haben könnten. Er fand tatsächlich eine Schmiede und auf intensive Nachfrage bestätigte der Schmied, dass ein Großteil seiner Kochtöpfe auf unerklärliche Weise zerbrochen waren. Das Misstrauen des Samurai wuchs: "Verletzte sich letzte Nacht vielleicht jemand in deiner Familie?" fragte er. Ja, seine alte Mutter hatte einen Unfall als sie nachts austreten musste. Sie hat sich am Kopf verletzt und lag nun Bett, sich davon erholend. Der Samurai wünschte sie zu sehen. Er zückte sofort sein Schwert und schlug ihr den Kopf ab. Der Sohn war natürlich sehr aufgebracht darüber, aber als er die Erklärung hörte, erinnerte er sich an einige seltsame Handlungen der der alten Frau. Er willigte ein, die weitere Entwicklung abzuwarten. Und tatsächlich, wie erwartet verwandelte sich die Leiche der Mutter innerhalb eines Tages in den Kadaver eines großen alten Wolfs. Da das Tier offensichtlich ein Bakemono-Geist war, suchten sie überall unter dem Boden des Hauses nach Hinweisen möglicher Untaten, und so fanden sie die Knochen der wirklichen alten Frau, die der Wolf verspeist hatte.

Kurze Erklärung dazu: In vielen dieser Sagen werden die Reste des Opfers unter dem Doppelboden des Hauses versteckt. Da die Verwesung an dieser Stelle für die Bewohner am leichtesten bemerkt werden würde, muss eine obskure, tiefere Bedeutung in der Wahl dieses Verstecks liegen. Allerdings scheint in den meisten Regionen eine Totgeburt unter dem Boden beerdigt wurde anstatt auf einem Friedhof. Möglicherweise im Glauben, eine Reinkarnation in einem zukünftigen Baby würde dadurch wahrscheinlicher.

Aber anscheinend sind in der japanischen Sagenwelt nicht alle Wölfe gleich. Von einem Typus wird berichtet, der nicht die Gestalt von Mann oder Frau annimmt, sondern im Gegenteil die Wiedergeburt eines Leichen-Gespenstes oder Vampirs ist. Diese Wölfe besitzen spirituelle Intelligenz und atmen Rauch und Feuer aus (ähnlich Fenris, dem riesigen Wolf unter den nordischen Götter). Sie können es mit so mächtigen Tieren wie Drachen aufnehmen. Um sie unter Kontrolle zu halten nutzen sie die Bodhisattvas (buddhistische Halbgötter, deren Aufgabe die Menschheit zu beschützen ist) als Reittiere, denn dann haben sie dem reineren und stärkeren Willen zu gehorchen.

Zum Vergleich: Werwölfe in Europa

o'wolf schreibt:

Den folgenden Abschnitt habe ich mit größten Bedenken übersetzt. Weniger wegen der scheinbaren Eloquenz des amerikanischen Originals, die schnell in sich zusammenfällt wenn man mal etwas genauer hinsieht (was beim Übersetzen nun einmal unumgänglich ist). Der Text enthält aber schon in den Bereichen, die ich verifizieren konnte, so viele Verallgemeinerungen, unzulässige Verkürzungen und Fehler, aber schlimmer noch Durchmischungen zwischen Bericht und persönlichen Glauben des Autors, dass ich meine Zweifel habe, ob die fernöstlichen Sagen korrekt dargestellt sind. An den Stellen, wo es richtig unerträglich wurde, habe ich behutsam aus Tatsachenbehauptungen Vermutungen gemacht, ohne die Aussage des Textes zu verändern.

Es sieht fast so aus, als ob hinter dieser "Werwolf"-Darstellung ein Konzept steht, das aus Europa oder zumindest Sibirien importiert wurde. Aber es gibt in einigen Regionen Japans (wie Shikoku) auch den Glauben, dass besonders haarige Menschen von solchen Wölfen abstammen die einst menschliche Gestalt annahmen (den schon erwähnten stark behaarten Ainu wird analog dazu eine Abstammung von Hunden nachgesagt). Zum Vergleich: alle europäischen Völker kennen Werwolf-Sagen, von der Antike bis mindestens zum 17. Jahrhundert. Männer und Frauen waren darin fähig, sich in Wölfe zu verwandeln, zeitweise oder ständig, freiwillig oder durch den Fluch des Teufels oder einer Hexe. Manchmal war die Verwandlung eine Strafe für Todsünden oder den Verzehr von Menschenfleisch. Diese erzwungene Metamorphose dauerte oft sieben oder neun Jahre bis zur Rückverwandlung. Die freiwillige Verwandlung wurde meistens durch das Tragen eines Wolffells, oder eines Gürtels aus diesem, erreicht und durch das ablegen dieser Kleidung beendet. Aber auch andere Ursachen waren nicht unbekannt, insbesondere Zaubertrunke, die mit dem Körper des Tieres zu tun hatten. Herodotus erzählt von den Neuri, einem osteuropäischen Volk, das sich so jedes Jahr für ein paar Tage verwandelte. Werwölfe trieben sich im Allgemeinen nur Nachts herum und erhielten ihre menschliche Gestalt mit Tagesanbruch zurück.

Chaki Chan schreibt:

Hierbei sollte man vielleicht anhängen das man zwischen den "antiken" und "modernen" Werwölfen unterscheiden sollte. Antike Werwölfe waren "wirkliche" Wölfe, gingen auf 4 Beinen und waren meist nur etwas größer als normale Wölfe. Der moderne Werwolf, der zweibeinige, menschenähnliche, wurde erst so ca. 1900 "erfunden" und ist eine Hollywood-Erfindung.

o'wolf schreibt:

Die (wenigen) bekannten antiken Beschreibungen berichten in der Tat von vierbeinigen Werwölfen, was aber möglicherweise spezifisch für den griechischen (und später römischen) Kulturraum sein könnte. Die spätere Niederschrift der Berserker-Sage und frühere theriomorphe Darstellung von alt-ägyptischen Göttern lassen vermuten, dass beide Darstellungen verbreitet waren. Die Darstellung im Mittelalter ist komplett uneinheitlich: die Texte geben meistens keine Hinweise auf das Aussehen -- es gibt Holzschnitte und Kupferstiche, die auch deutlich anthropomorphe (oder völlig menschliche) Werwölfe zeigen. Im Web sind leider nur noch wenige Bilder aus dieser Zeit zu finden, zum Beispiel im Bildarchiv Hexen, Abb. 5.42, 5.64 und 5.65.

Der Hauptgrund dafür ein Werwolf zu werden war die Befriedigung eines Hungers nach Menschenfleisch oder eines ähnlich abscheulichen Verlangens. Ein Autor schrieb 1628: "Die Werwölfe sehen nicht nur aus wie Wölfe, ihre eigenen Gedanken haben Gestalt und Wesen der Wölfe. Und sie benehmen sich genau wie Wölfe in ihrem Kümmern und ihrem Töten." Besonders Frankreich wurde im 16. Jahrhundert von Werwölfen heimgesucht, es gab zahllose Gerichtsverfahren wegen Mord und Kannibalismus in der Gestalt eines loup garou. In England war der Wolf völlig ausgerottet, die Anklage gegen Hexen lauteten dort daher nicht, dass sie zu "warwoolfes" werden, sondern eher zu Katzen, Hasen und Wiesel. Aber auch in Preußen, Livland und Litauen richteten Werwölfe im 16. Jahrhundert angeblich erheblich mehr Schaden an als wahre und natürliche Wölfe.

Allerdings waren Werwölfe, wie auch ihre Entsprechungen in Asien, nicht immer boshaft gegen Menschen gewandte satanische Bestien. Sie dienten oft auch der Kirche zur Verteidigung gegen Ketzer. Im Jahr 617 überfielen Werwölfe ein Kloster und zerfetzten etliche Mönche, die abweichende Meinungen pflegten. Es wird berichtet, dass im frühen 16. Jahrhundert Wölfe von Gott ausgesandt worden sein, um dem gotteslästerischen Verhalten von Soldaten der Armee von Urbino Einhalt zu gebieten, die den Kirchenschatz von Loreto stehlen wollten. Heilige wurden mehrfach von Wölfen gegen wilde Bestien (!) beschützt. Diese Werwölfe wurden als unschuldige und gottesfürchtige Personen angesehen, die unter dem bösen Zauberer anderer litten. So ging es auch vielen Prinzen und Prinzessinnen, die in den Märchen der indo-germanischen Völker als Wölfe auftreten. Sobald aber ein solches Wertier Menschen verletzte, war es verflucht diese Form für immer zu behalten. Magier und Priester konnten die tierische Gestalt durch verschiedene Mittel, wie zum Beispiel dem Kreuz, austreiben. Das Exorzieren des Werwolf-Fluchs schien dabei erheblich einfacher als das Austreiben des Fuchs eines chinesischen oder japanischen Besessenen. Manchmal reichte es, den Namen des Besessenen drei mal im Namen des Vater, des Sohnes und des Heiligen Geistes auszurufen, oder die Stirn des Besessenen dreimal mit einem Messer zu schlagen.

Dieser etwas längliche Exkurs soll zeigen, dass der gleichen grundlegende Glaube an die Möglichkeit der Gestaltwandlung, mit in der Folge zu missbilligende und manchmal gute Taten, im Westen wie im Osten existierte. In Asien war es oft eine Verwandlung eines symbolhaften (und damit vermenschlichten) Tieres, das menschliche Gestalt annahm. In Mitteleuropa der Lykanthrop, wörtlich "Wolfsmensch", wobei sich ein Mensch die Form eines Tieres, fast immer eines Wolfs, annahm. In anderen Gegenden wird Lykanthropie in der Regel mit dem am "gefährlichsten" Tier des Landes verbunden. In Nordeuropa wird der Platz des Wolfs oft vom Bär übernommen, wie auch zum Teil bei den Ainu im nördlichen Japan. Wir haben die Tiger-Verwandlung in China beschrieben, welche auch in Indien bekannt ist. In Afrika werden Menschen zu Leoparden, Hyänen oder Löwen. In Südamerika zu Jaguar. Aber auch harmlose Tiere wie Rehe kommen als Form der Lykanthropie vor. Dabei ist klinische Lykanthropie aus psychiatrischer Sicht eine krankhafte Einbildung ähnlich der Hysterie oder Schizophrenie, in der der Betroffene glaubt in ein Tier verwandelt zu sein und sich dementsprechend benimmt. Diese Sicht ist demnach verwandt mit der Besessenheit von einem Fuchs (oder einem anderen Tier) im Fernen Osten. Wie die Besessenheit in China und Japan existiert Lykanthropie als Krankheitsbild in vielen weniger entwickelten Kulturen Europas, Afrikas, Indonesiens und so weiter. Manchmal nimmt dabei das Innere des Menschen die Form eines Tieres an, bricht aus und handelt an seiner statt.

Chaki Chan schreibt:

Und manche sollten jetzt nicht den Trugschluss wagen, das Furries und Weres unter Lykanthropie leiden. Lykanthropie ist meist schon krankhaftes "Tiersein" immer und überall. Da ist nichts menschliches mehr im Geist.

o'wolf schreibt:

Ich habe bei der Übersetzung das Wort klinisch hinzugefügt, da der Begriff Lykanthropie generell schon recht schwammig ist. Wobei die Psychiatrie den Begriff meines Wissens aber nicht mehr verwendet, da die klinische Lykanthropie nur eine Beschreibung des Symptoms darstellt, die eigentliche Diagnose aber eine von mehreren sehr unterschiedlichen Krankheiten oder Behinderungen sein wird. So z.B. Schizophrenie, Autismus oder schwere Hirnschädigungen durch Drogenmißbrauch. Siehe zum Begriff auch das Kapitel Was ist ein Lykanthrop? Ein Theriomorph? der Basis-FAQ und für eine ausführliche Diskussion des Phänomens das Buch The Beast Within von Adam Douglas.

Im Grunde könnte es sein, dass die Idee einer Transformation sich aus dem recht weit verbreiteten Glauben schamanistischer Stämme begründet, dass ein Mensch die Gestalt seines Krafttieres annehmen kann. Allerdings, und dies ist ein wichtiger Aspekt, so universell Lykanthropie ist, so sehr vernachlässigt sie die Transformation eines Tieres in menschliche Gestalt. Während der Schamanismus auch diese Möglichkeit beinhaltet, gibt es in unseren Legenden und Aberglauben nur den Vampir, der zur Jagd auf seine Opfer gelegentlich menschliche Gestalt annimmt. Die Bakeru (Verwandlung) von Tiergeistern scheint auf das fernöstliche Asien beschränkt zu sein. Auf der anderen Seite wird die Macht sich in ein Tier zu verwandeln im Fernen Osten hauptsächlich den taoistischen Magiern oder Zauberern in China zugeschrieben. In Japan gibt es volkstümlichen Geschichten dieser Art anscheinend nicht, aber alte Überlieferungen legen die Vermutung nahe, dass bestimmte Häuptlinge der Urbevölkerung als starke Tiere beschrieben wurden. Möglicherweise ein weiterer Link zum Schamanismus.

o'wolf schreibt:

Nun ja. Für mich stellt sich die Frage: was hat dies alles in einem Text über fernöstliche Gestaltwandler zu suchen, zumal die angesprochenen Themen in anderen Teilen der AHWW-FAQ bereits besser und ausführlicher behandelt wurden?

Andere Wolfssagen

Interessant ist ein Bericht von Hirata Atsutane (1776-1843) aus einem seiner Lehrwerke über die "Überlegenheit der Vorfahren". In den Ômine- und Mitsumine-Bergen, behauptet er, gäbe es viele Wölfe, "welche Boten der Berggötter genannt werden. Menschen aus anderen Teilen des Landes kommen, wählen über die Wachen der Berge einen der Wölfe aus und leihen ihn als Schutz gegen Feuer aus. Wobei sie den Wolf nur im übertragenen Sinne leihen und nicht mit zu sich nach Hause nehmen. Und vom Tag des Ausleihens an bieten sie dem Geist des Wolfs täglich Futter an. Aber wird dem Wolf mehrere Tage kein Futter angeboten, wird der ausgewählte Wolf dünn, ausgemergelt und schwach. Ich kenne den Fall eines Mannes, der einen Wolf lieh und ihm vier oder fünf Tage kein Futter anbot. Und Unglück kam über ihn dadurch und er erlebte eine fürchterliche Überraschung".

Anscheinend wurde früher geglaubt dass der Wolf sich seiner Sexualität schämte und selbst kein starkes sexuelles Verlangen hätte. Er verbarg deshalb seine Genitalien hinter seinem herunter hängenden Schwanz. Sollte jemand zufällig seinen Geschlechtsakt beobachten, würde der oder diejenige ihren Kimono öffnen und das eigene Geschlecht zeigen, um den Wolf nicht zu beschämen...